Die Herzratenvariabilität (HRV) gilt als einer der wichtigsten Indikatoren für die Gesundheit des autonomen Nervensystems. Sie gibt Aufschluss über Erholungsfähigkeit, Stressbelastung, Resilienz und kardiovaskuläre Fitness. Doch wie misst man HRV richtig? Zwei Verfahren dominieren: das Elektrokardiogramm (EKG) und die optische Pulsmessung via Photoplethysmographie (PPG). Dieser Artikel bietet eine fundierte Entscheidungshilfe: Welche Methode ist wann geeignet – und welche ist genauer?
Was misst HRV genau?
HRV bezeichnet die zeitlichen Schwankungen zwischen aufeinanderfolgenden Herzschlägen. Sie wird meist anhand der R-R-Intervalle im EKG gemessen, also dem Abstand zwischen zwei elektrischen Herzimpulsen. Alternativ können diese Intervalle auch aus PPG-Daten (z. B. per Smartwatch) geschätzt werden, wobei die Schwankung des Pulslichtsignals interpretiert wird (Pulse-to-Pulse-Intervall).
EKG: Der Goldstandard für Präzision in der HRV Diagnostik
Das Elektrokardiogramm misst direkt die elektrische Aktivität des Herzens. Dadurch liefert es hochgenaue Informationen über den genauen Herzrhythmus und erlaubt eine Millisekunden-präzise HRV-Analyse.
Vorteile:
- Sehr hohe Genauigkeit (auch unter Bewegung)
- Robuste Signalqualität
- Ideal für Diagnostik und Forschung
Nachteile:
- Benötigt Brustgurt oder Elektroden
- Weniger komfortabel für den Alltag
Studienlage:
Eine Meta-Analyse von Ward et al. (2019) zeigt, dass EKG-basierte HRV-Messung signifikant präziser ist als PPG, insbesondere bei Bewegung und in klinischen Settings.
PPG: Praktisch und bequem, aber begrenzt in der Aussagekraft
Photoplethysmographie misst über optische Sensoren (z. B. an der Smartwatch) die Blutvolumenveränderungen in oberflächennahen Gefäßen. Daraus wird der Puls und indirekt auch die HRV abgeleitet.
Vorteile:
- Bequem, keine Elektroden
- In Wearables integriert
- Gut geeignet für Alltagsbeobachtung, Schlaftracking
Nachteile:
- Anfällig für Bewegungsartefakte
- Licht- und Hautverhältnisse beeinflussen Messung
- Geringere Genauigkeit bei Belastung und Stress
Studienlage:
Selvaraj et al. (2008) fanden bei ruhenden Probanden hohe Übereinstimmung zwischen HRV aus EKG und PPG. Bei Bewegung oder unregelmäßigem Herzrhythmus jedoch deutliche Abweichungen.
Was Studien dazu zeigen: EKG vs. PPG, Vergleich der HRV Daten im Praxistest
Die Meta-Analyse von Ward et al. (2019) untersuchte mehrere Studien zur Genauigkeit von Wearables:
- Effektstärke der Abweichung (Cohen’s d): ~0,23
- Stärkere Ungenauigkeit bei SDNN, vor allem bei Körperhaltungswechseln und bei Frauen
- Empfehlung: EKG für klinisch belastbare Daten, PPG bei korrektem Einsatz für Wellness ausreichend
Neueste Forschung: Wie gut ist modernes PPG wirklich?
Filipa Esgalhado et al. (2022) verglichen verschiedene Algorithmen zur R-R-Erkennung in PPG-Daten:
- Beste Ergebnisse durch HDEM (Hilbert Double Envelope Method)
- Sensitivität bei über 98 % in idealen Bedingungen
- Dennoch: Unter Bewegungseinfluss brach die Genauigkeit deutlich ein
Unser Fazit und Empfehlungen:
Die Technik verbessert sich, aber EKG bleibt klinischer Standard. Die PPG Messung über Ohr- oder Fingerclips und andere Wearables ist in Ruhephasen mit moderner Verarbeitung brauchbar, jedoch nicht 1:1 vergleichbar. Letztere eignet sich eher für die Trendbetrachtung. Dann und nur dann hat sie zu therapeutischen Zwecken auch Aussagekraft.
So würden wir wählen:
Einsatzbereich | Empfehlung |
Medizinische Diagnostik | EKG (Goldstandard) |
Biofeedback-Training | EKG oder Hybrid |
Alltags-/Schlafbeobachtung | PPG ausreichend |
Bewegung / Sport | EKG empfohlen |
Zusammenfassung: Wer höchste Präzision braucht, kommt um EKG nicht herum. Für alltägliche Selbstbeobachtung, z. B. via Smartwatch, liefert PPG brauchbare Ergebnisse – vorausgesetzt, man achtet auf ruhige Bedingungen und kennt die Grenzen der Technik.
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